Es war klar, dass diese Koalition auf die Klimakrise fokussieren muss – bis 2040 soll Wien jetzt CO2-neutral werden, das ist eine deutliche Beschleunigung gegenüber den bisherigen Zielen der Smart-City-Rahmenstrategie und ambitioniert. Mittel dafür sollen ein Klimaschutzgesetz und ein Klimabudget sein. (64ff.) Doch für dieses ambitionierte Ziel muss viel getan und massiv eingegriffen werden. Die Aussage des Bürgermeisters: „Wir wollen Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander ausspielen, sondern allen Wienerinnen und Wienern Mobilität ermöglichen“ lässt nicht unbedingt darauf schließen, dass man dazu gewillt ist. Bis in 10 Jahren die Verkehrsemissionen (43% der Gesamtemissionen non-ETS) zu halbieren wird ohne gravierende Einschränkungen beim MIV nicht gelingen. Ausbau Erneuerbarer auf 30% bis 2030, starker PV-Ausbau ist vorgesehen, das geplante Konzept für den Umstieg von Bestandsgebäuden auf CO2-freie Heizsysteme ist überaus wichtig, ebenso wie die Dekarbonisierung der Fernwärme. (67ff.) Auf Basis der neuen Ziele werden die Smart-City-Rahmenstrategie und der STEP überarbeitet. (138)
Beim Verkehr sind neue Schnelltrams über die Stadtgrenze hinweg vorgesehen, Straßenbahnen sollen in den Flächenbezirken ausgebaut werden – das sollen sie aber schon lange. Die Citybikes sollen in die Außenbezirke kommen und durch e-Citybikes ergänzt werden, Carsharing soll durch ausgeschriebene Geschäftsgebiete besser organisiert werden. Immerhin wird die Reduktion von Pkw-Abstellplätzen im öffentlichen Raum angekündigt, das war aber vor 5 Jahren auch schon Ziel, trotzdem ist jedes einzelne Projekt wieder ein neuer Kampf um jeden einzelnen Parkplatz. Die angekündigten Buskonzepte für die Flächenbezirke sind zweifellos sinnvoll, aber noch besser wäre es, die Straßenbahnen zu beschleunigen. Der vorgesehene S-Bahn-Ring ist eine wichtige Entwicklung. Fahrradtransport im ÖV soll vereinfacht werden. Das ja bereits bestehende Verkehrskonzept für die Innere Stadt soll überarbeitet und erst 2022 eingeführt werden. Das neue Modell „Super-Grätzl“ in Anlehnung an die Superilles in Barcelona soll wohl eine Art permanentes Fahrverbot rund um Schulen werden, das für Begrünung und Entsiegelung genützt wird. Ein Radwegeausbauprogramm für 20 Mio. Euro jährlich ist ambitioniert, man darf gespannt sein. Für nächstes Jahr ist ein Parkraummanagementgesetz vorgesehen. (156ff.)
Klimaschutz muss ergänzt werden durch Klimawandelanpassung. Vorgesehen sind jährlich 4.500 Stadtbäume (viel zu wenig, aber Stadtbäume sind teuer) und alle 18 Tage ein neuer Park (also 20 pro Jahr, 100 über die Periode, da fragt man sich, was alles ein Park ist). Versiegelung soll reduziert werden, auch bei kleinen Stadtentwicklungsprojekten sollen signifikante Grünräume mit Bäumen entstehen – das ist zweifellos nötig und sinnvoll. „Das Schwammstadt-Prinzip wird überall dort, wo es möglich ist, angewandt.“ – das ist sehr gut und löblich, aber vage: was genau bedeutet hier „möglich“? Die geplanten 20 Mio. Euro jährlich für Klimawandelanpassung scheint gegenüber bisher etwa eine Verdopplung zu sein, das ist gut, aber da geht noch mehr. Interessant: Bis 2025 sollen vier wichtige Straßen und Plätze entsiegelt und begrünt werden, z.B. der Praterstern. Maßnahmen gegen Hitzeinseln, Oberflächenwasser, Fassadenbegrünungen, Schatten etc. sind Themen, die heute in so einem Programm natürlich nicht fehlen können. (72ff.)
Im Wohnbau werden zusätzliche Gemeindewohnungen neu angekündigt, allerdings nur 1.500 über 5 Jahre, also deutlich weniger als in der letzten Periode (4.000). Neben dem Neubau zählt in das geplante Programm „Gemeindebau(t)“ auch die Sanierung und sanfte Nachverdichtung von Gemeindebauten – zweifellos ein wichtiges Thema. Scheinbar soll die Wohnungsvergabe weiterentwickelt werden, was auch immer das bedeuten mag. Ein bisschen heftig scheint mir der geplante Einsatz von Detektiven gegen Nichtnutzung von Gemeindebauwohnungen, auch wenn das Problem wohl besteht. Ein wichtiges und überaus sinnvolles Projekt ist die geplante Qualitätssicherung für freifinanzierte Bauten durch den Grundstücksbeirat (dann ein weiterentwickelter Qualitätsbeirat), der ja bisher nur geförderten Wohnbau begutachtet. Das sollte aber nicht auf den Wohnbau beschränkt bleiben – und die große Frage ist, wie das funktioniert, wenn es nicht die Verweigerung der Förderung als Druckmittel gibt. Bei den Bauträgerwettbewerben soll verstärkt auf klimagerechtes Bauen gesetzt werden. Und, durchaus interessant: Ein eigenes Fördermodell für Baugruppen ist geplant. (128ff.) Die schon vor der Wahl angekündigte Sanierungsoffensive „Wir san Wien“ und die „Hauskunft“ werden umgesetzt, für die Blocksanierung gibt es einen neuen Namen, Ziel ist eine „Stadt der kurzen Wege“. Die Bauordnung soll auf Basis einer Enquete novelliert werden, um Klimaschutz, leistbares Wohnen und Baukostenreduktion zu verknüpfen. (133ff.) Auffällig ist, dass es keine quantitativen Ziele für die Wohnbauförderung gibt. Es wird an einer Stelle von abgeschwächtem Wachstum der Stadt gesprochen, dies ließe eine maßvollere Dichte zu, was zweifellos in etlichen Fällen sinnvoll wäre. Und die Zahl von derzeit über 10.000 Wohnungen jährlich soll reduziert werden. (153) Eine Reduktion des geförderten Wohnbaus zugunsten des teuren, freifinanzierten wäre aber überhaupt nicht sinnvoll, und wie man den freifinanzierten Wohnbau reduzieren will, ist fraglich. Positiverweise wird erneut die Absicht fixiert, die Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ generell einzusetzen und dort jeweils zwei Drittel Wohnbauförderung vorzugeben. (150)
In der Stadtentwicklung soll auf abnehmendes Wachstum, Klimakrise und Flächenbedarfe für Wohnen und Arbeiten mit neuen Ansätzen reagiert werden: Neue Stadtteile sollen generell klimafit geplant werden, was zweifellos große Veränderungen und Weiterentwicklungen erfordern wird, sowohl bei der Frage des MIV und des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs als auch bei der Energieeffizienz und Energieproduktion. Ein eigenes Fachkonzept Soziale Infrastruktur und eine Neuausrichtung der Infrastrukturkommission sind geplant. Planungsprozesse sollen beschleunigt und verschränkt, das neue Instrument des stadtteilbezogenen Entwicklungskonzepts angewandt und ein Kriterienkatalog für städtebauliche Verträge ausgearbeitet werden. Gegen die aktuell oft ohne jede Qualität stattfindende Nachverdichtung von Einfamilienhausgebieten soll eine Strategie für sinnvollen Umgang mit diesen Arealen entstehen. Instrumente der Widmung sollen evaluiert, Widmungskategorien für Nutzungsmischung weiterentwickelt werden. (150ff.) Ein zentrales Thema des urbanen Stadtraums in den nächsten Jahren wird die Nutzung der Erdgeschoße in Bestand und Neubau sein – diese Flächen sind durch Digitalisierung und Corona ziemlich herausgefordert. Dafür soll die Geschäftsstraßenförderung reformiert, Förderung verbessert und auf bestimmte Grätzl fokussiert werden. Qualitätvolle Erdgeschoßzonen im Neubau und Management von EG-Zonen sind ebenso geplant. (25f., 104) Ein wichtiges Thema ist die Frage der Umweltverträglichkeitsprüfungen, eine paradoxe Materie, weil es sich um Bundesrecht handelt, das (bzgl. Städtebau) fast ausschließlich in Wien angewandt wird. Diesbezüglich gab es die letzten Jahre etliche Probleme, nun will Wien verstärkt auf Strategische Umweltprüfungen (SUPs) statt nur UVPs setzen. Außerdem will Wien auf eine Gesetzesänderung drängen, aber das dürfte schwierig werden… (80) Der Bereich der Beteiligung soll ausgebaut werden, insbesondere Online-Instrumente, um mehr Leute zu erreichen. Kultur soll mehr Beteiligung enthalten, Inklusion in der Beteiligung verstärkt, eine Beteiligungsstrategie wird angedeutet. (116f.) Aus dem Kompetenzzentrum für Partizipation wird ein Partizipationshub als Anlaufstelle für alle Dienststellen, partizipative Klimabudgets sollen eingeführt werden, der Masterplan partizipative Stadtentwicklung braucht eventuell Evaluierung. (154)
In der stark wachsenden Stadt der letzten Jahre hinkte ein Thema hinter anderen her, die Kultur. Seit einigen Jahren versucht die zuständige Stadträtin, das zu ändern. Nun sollen „Ankerzentren für kulturelle Nahversorgung“ ausgebaut werden, also neue soziale Räume der Kunst in den Bezirken. Dazu kommt ein „Produktionsbüro für urbane Kulturarbeit“; das urbane Strategien steuern und Kunst bis an die Grenzen der Stadt vermitteln soll. Die geplanten zweiten Standorte des Kindermuseums und des Dschungel-Kindertheaters in bevölkerungsstarken Bezirken wären ein wichtiges Signal. Die angesprochene Neunutzung bestehender architektonischer Landmarks klingt nach einer Lex Richterschule (95f.) Im Sport sind neben umfangreichen Modernisierungen Neubauten geplant – eine Veranstaltungshalle für 3.000 Personen und drei Trainingshallen, außerdem sollen Sportstätten erweitert werden. (197) Das bereits vor der Wahl präsentierte Bäderprogramm findet auch Erwähnung. (55) Neue Märkte und Markthallen in Stadtentwicklungsgebieten (85f.), Markthalle beim Naschmarkt mit „Gestaltungswettbewerb“, was auch immer das ist. (86) Und erwähnen muss man auch den „Konjunktur-Turbo“ von 600 Mio. Euro für Investitionen in Bildungsinfrastruktur, Sportstätten, Infrastruktur und öffentlichen Verkehr bis 2023. (18)