11/2021 Materialkataster

Die Phase 10 ist aktuell beim Thema Architektur in aller Munde – so wie die Phase 0, die Projektentwicklung, große Bedeutung für die Qualität jedes Gebäudes besitzt, weil in diesem Zeitraum die wichtigsten Entscheidungen gefällt werden, ist auch die Phase 10, also die Nutzungsphase, von größter Wichtigkeit. Wenn bei der Planung auf den Nutzungsalltag, den laufenden Betrieb, die Instandhaltung und Wartung Rücksicht genommen wird, dann läuft die Nutzung ruhig, reibungsfrei und kostengünstig. Wenn nicht, sind Schwierigkeiten vorprogrammiert. Zu dieser Rücksichtnahme gehört auch eine gute Dokumentation des Baus, damit man später weiß, welches Leuchtmittel wo zu welcher Zeit ausgetauscht werden muss, wie Anlagen gepflegt werden sollen und was genau hinter den Oberflächen eines Hauses alles verborgen ist. Noch wichtiger ist diese Dokumentation für die Zeit nach der Nutzung: für Abbruch und Recycling eines Gebäudes. Wenn dessen Bestandteile nicht dokumentiert sind, ist sinnvolles Recycling nur schwer möglich. Und zukünftig wird man jedes Gebäude, das nicht mehr weiterbestehen kann, recyclen müssen. Aktuell ist das Bauwesen für etwa 60 Prozent des Müllaufkommens verantwortlich, und das ist nicht länger tragbar, schon allein, um die negativen Auswirkungen des Bauens auf das Klima massiv zu reduzieren. Ein neuer Ansatz, um genau das zu schaffen, ist Madaster: Das Kataster nicht für Grundstücke, sondern für das, was darauf steht, für die Gebäude. Im Madaster wird genauestens dokumentiert, aus was ein Gebäude zusammengesetzt ist, um im Fall eines Abbruchs diese Materialien möglichst preiswert und sinnvoll einer Neunutzung zuführen zu können. Madaster ist eine Datenbank, ins Leben gerufen von dem Architekten Thomas Rau und der Ökonomin Sabine Oberhuber, die dazu beitragen will, die Vision der „circular city“ wahr werden zu lassen: Abfälle werden auf ein Minimum reduziert, alle Materialien, und das bedeutet vor allem auch: alle Baumaterialien werden Teil von niemals endenden Kreisläufen, in denen sie immer wieder neu zusammengesetzt und auseinandergenommen werden, aber niemals als Abfall enden. Die Materialdatenbank existiert seit vier Jahren in den Niederlanden und hat heuer den Sprung nach Deutschland gemacht. Bisher sind etwa zehn Millionen Quadratmeter, das sind ein paar tausend Gebäude, auf Madaster dokumentiert. Doch letztlich müsste Madaster das erreichen, was der Grundstückskataster schon heute ist: Eine Dokumentation nicht möglichst vieler, sondern aller Gebäude.

madaster.de