1999
Ideenspuren. 15 Jahre Planungsgeschichte in der Donau City
„Ideenspuren. 15 Jahre Planungsgeschichte in der Donau City/Tracing Ideas. A Fifteen Year Planning History in the Donau City“, in: architektur aktuell 232, September 1999, S. 100–101
Volltext:
Ideenspuren
15 Jahre Planungsgeschichte in der Donau-City
1985 tauchten erstmals Ideen auf, einerseits im Wiener Donauraum eine Weltausstellung zu veranstalten und andererseits Teile des Geländes der Wiener Internationalen Gartenschau 64 zu bebauen – diese Zone zwischen UNO-City und neuer Reichsbrücke, beide erst wenige Jahre zuvor fertiggestellt, war nach 1945 als Schutt- und Mülldeponie verwendet worden. Eine Partnerschaft mit Budapest unter dem Titel „Brücken in die Zukunft“ wurde abgeschlossen, das Pariser Weltausstellungsbüro gab den Zuschlag, und so konnte begonnen werden: In ersten städtebaulichen Gutachten von Hollein/Coop Himmelblau, Peichl, Potyka und A. Wimmer wurden die Voraussetzungen für den Wettbewerb geklärt – z. B. formulierte Peichl hier die Idee, die Donauuferautobahn zu überplatten – und schließlich im „Leitprogramm für den donaunahen Entwicklungsraum“ zusammengefasst. 1990 folgte der EXPO-Wettbewerb, den Frank vor Hollein/Coop Himmelblau gewann, und noch am gleichen Tag stellte die Stadt Wien fest, dass die Zweitgereihten am Projekt zu beteiligen wären. Den gleichzeitig abgehaltenen Absolventenwettbewerb gewannen Balogh/Gunther/Stahl vor Delugan-Meissl. Spuren mancher damaliger Siegerprojekte sind noch heute im Gesamtkomplex ablesbar: Von Hollein/Coop Himmelblau etwa die drei Hauptachsen, die Parallele, die Orthogonale und die Diagonale, und die Kulturnutzung über der Autobahn, sowie Delugan-Meissls riesiger, aufgeständerter Balken. Man entschloss sich, Frank mit der EXPO- und Hollein/Coop Himmelblau mit der Nachnutzungs-Planung mit besonderem Augenmerk auf Hochhäuser zu beauftragen, doch dann kam die Volksbefragung 1991 und mit ihr das Ende der EXPO: Allein die Nachnutzung war übriggeblieben. In Folge entwickelte Hollein einen ersten Masterplan, in dem bereits die Position der Twin Towers und des Andromeda-Towers sowie die Orientierung der Wohnbauten zu Donaupark und Donauufer fixiert waren, dann übernahm die neu gegründete Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum (WED) das Projekt und beauftragte Holzbauer mit einem „integrierten Bebauungskonzept“, das Baumassenverteilung und Höhenentwicklung für den schließlich 1992 beschlossenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festlegte. Im gleichen Jahr entstand der bis heute gültige Masterplan von Krischanitz, der beim EXPO-Wettbewerb noch eine von Ludwig Hilberseimer inspirierte Megastruktur vorgeschlagen hatte, und Neumann, dessen Beitrag einen 300 m hohen Turm enthielt. Krischanitz/Neumann entwickelten eine kleinteiligte Struktur aus quadratischen Parzellen mit 42 m Seitenlänge, in denen jeweils entlang einer Seite mit einer Gebäudetiefe von 19 bis 25 m gebaut werden durfte. Der große Wurf des Konzeptes war neben dieser aleatorischen Ordnung die Aufgabe der bisher in allen Plänen vorgesehenen Riesenplatte über das gesamte Gebiet: Durch den Aushub der ehemaligen Mülldeponie war ein 9 m tiefes Loch entstanden, das nun für eine vielfältig bespielbare, offene Höhenentwicklung genutzt wurde: Auf der Ebene 0 sollte der Autoverkehr situiert sein, auf der Ebene 3 die Fußgänger, und dazwischen Garagen, Grünräume und diverse Sondernutzungen. Für das Konzept erhielten Krischanitz/Neumann 1995 den ersten Otto-Wagner-Städtebaupreis. Aufbauend auf diesem Masterplan fand im Jahr 1993 das geladene Gutachterverfahren für die Wohnbauten in der Donau-City statt, aus dem Delugan-Meissl und Loudon ex aequo als Sieger hervorgingen, gefolgt von Cufer/Balogh/Bammer und Czech. Die vier Preisträger bildeten zusammen eine ARGE, um ein städtebauliches Leitbild für den Wohnbaubereich zu entwickeln. In diesem Leitbild blieb von Delugan-Meissls Wettbewerbsprojekt der Balken parallel zur Donau erhalten, von Loudon der Laubengang-Hallen-Typus und der donauseitige, grüne Hof, von Cufer/Balogh/Bammer der Zylinder und der befestigte Hof sowie von Czechs interessantem Typus nichts, da er sich auf angeblich „ruppige“ Art weigerte, einer 25-%-igen Reduktion des Honorars zuzustimmen, und so durch Steiner ersetzt wurde, der eine Vereinheitlichung der Fassadenmaterialien und Konstruktionsraster bei den Bauteilen Cufer, Loudon und Steiner erreichte. Die drei donauseitigen Wohnbau-Bauplätze wurden von der Donau-City-Wohnbau AG, bestehend aus acht gemeinnützigen Bauträgern, übernommen, während der ebenfalls vom Wettbewerb umfasste Hochhaus-Bauplatz am Donaupark an Mischek-Wiener Heim ging, die Delugan-Meissl mit der Fassadengestaltung ihres Mischek-Towers beauftragten. Wenn man nun aus heutiger Sicht die Ziele des Krischanitz/Neumann-Masterplans mit dem derzeitigen Stand der Dinge vergleicht, so stellt man fest, dass die heutige Bebauung und Planung der Donau-City wesentlich weniger kleinteilig ausgefallen ist, als das intendiert war. Der Masterplan sah eher gleichmäßig niedrige, gleichwertige Strukturen vor, während jetzt starke Höhendifferenzierungen ausgebildet werden. Und die geplanten freien Erdgeschosszonen, die nur Läden und Lobbies enthalten sollten, wurden bis auf den Delugan-Meissl-Balken den Anforderungen der Verwertung geopfert. Der Wohnpark zeigt jedenfalls, dass auch im Rahmen einer übermächtigen Planungsgeschichte und des Ausnützbarkeitsdruckes manches möglich ist. Es bleibt zu hoffen, dass man sich für die weiteren Realisierungen verstärkt das Wettbewerbsmodell zu Herzen nimmt: Bisher fanden Wettbewerbe für die Twin Towers, den Wohnpark, die Kirche und die Maschinenbau-Fakultät statt. Der nächste Schritt in der Donau-City nach dem Baubeginn von Holzbauers Tech-Gate Vienna und Neumanns Ares-Tower wird ein Wettbewerb für das Science Center Wien Ende des Jahres sein.
(Anm.: Diese Prognose wurde von der Wirklichkeit in Form der schwarz-blauen Koalition auf Bundesebene ab Anfang 2000 eingeholt.)