4/2013 Die Karte der Zivilcourage

Seit dem Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider Mitte der 1980er Jahre wird die Asylgesetzgebung in Österreich kontinuierlich und zunehmend verschärft, sodass man sich alle paar Jahre, wenn neue Änderungen anstehen, wieder aufs Neue fragt, wie es jetzt noch schärfer werden kann, wo doch schon beim letzten Mal massiv verschärft wurde. Doch die Entwicklung geht immer weiter in die gleiche Richtung. Als eine Gruppe Asylsuchender im Dezember 2012 zur Votivkirche nach Wien marschierte und schließlich dort Asyl im Asyl suchte, war das die erste breit wahrgenommene Selbstermächtigung einer größeren Gruppe von Asylwerbern in Österreich – plötzlich sprachen nicht, wie sonst immer, nur die einschlägigen karitativen Organisationen für die Flüchtlinge, sondern diese selbst ergriffen das Wort und verlangten eine Verbesserung ihrer Situation. Doch nicht nur die „professionellen“ Institutionen und die Betroffenen selbst, die Flüchtlinge, melden sich in solchen Fällen zu Wort. In den letzten Jahren mischen sich zunehmend Nachbarn, Schulfreunde, Arbeitskollegen, Freunde im Sportverein und in der Pfarre ein, wenn der Staat wieder einmal versucht, Flüchtlinge durch Abschiebung loszuwerden. Die Politikwissenschaftler Sieglinde Rosenberger und Jakob Winkler von der Forschungsgruppe INEX (Politiken der Inklusion und der Exklusion) untersuchten derartige „Herausforderungen der Deportation“, so der Projekttitel, innerhalb der letzten 7 Jahre in Österreich. Die insgesamt 110 Fälle von Widerstand wurden in einer Google-Map nach Typen kartiert: Abschiebung erfolgt, Abschiebung nicht erfolgt, Ausgang unklar. Dabei zeigte sich, dass eine solche Form von Protest durchaus wirksam ist. Die Hälfte jener Flüchtlinge, für die protestiert wurde, konnte schließlich in Österreich bleiben; etwa ein Fünftel wurde trotzdem abgeschoben, beim Rest ist der Ausgang noch ungeklärt. Voraussetzung für den Protest sind soziale Bindungen – dem entsprechend entwickelt sich die staatliche Politik zunehmend dahin, die Asylsuchenden möglichst vollständig von anderen zu segregieren – eine „interne Exklusion“ sozusagen. Widerstand gibt es dort, wo Flüchtlingskinder im Kindergarten Freundschaft schließen, wo Jugendliche plötzlich aus der Schule verschwinden oder nicht mehr im Fußballverein auftauchen oder wo Asylsuchende in Pfarrgemeinden integriert sind. So sei Oberösterreich ein wichtiges Zentrum derartigen Protests, weil dort der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende viel länger offen war als in anderen Bundesländern.

inex.univie.ac.at/mapping-protest