2006 Das Temporäre in der Stadt

„Das Temporäre in der Stadt“, in: Florian Haydn, Robert Temel (Hg.): Temporäre Räume. Konzepte zur Stadtnutzung, Birkhäuser: Basel 2006, S. 59–67

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Ausschnitt S. 59–60:

Temporalität
Städte sind langlebig, Stadtplanung wirkt langfristig, was hat also das Temporäre mit der Stadt zu tun?
Temporär bedeutet zeitweise bestehend, doch gibt es verschiedene Konzepte dieser Zeitweiligkeit: einerseits das Ephemere, ein Begriff aus der Biologie, wo er Lebewesen bezeichnet, die nur einen Tag lang leben – ephemer ist also eine existentielle Zeitlichkeit, das Ephemere ist kurzlebig, die Existenz kann nicht ausgeweitet werden, ganz im Gegensatz zum Provisorischen, das als Kurzlebiges beginnt und dann nicht selten für sehr lange Zeiträume bestehen bleibt. Das Provisorische bezeichnet eine Einrichtung, die nur stellvertretend für das „Richtige“, Langlebige gedacht wird, eine zwischenzeitliche Vorsorge, weil etwas benötigt wird, was in der eigentlich angestrebten Qualität jetzt noch nicht realisiert werden kann, möglicherweise aber zu einem späteren Zeitpunkt. Das Temporäre steht zwischen diesen beiden Positionen. Es ist einerseits kurzlebig wie das Ephemere, kann aber im Gegensatz zu diesem durchaus länger existieren, als man zu Beginn denken würde. Eine Ausdehnung der Lebensdauer ist möglich. Somit gibt es gemeinsame Eigenschaften mit dem Provisorium, allerdings verfügt Temporäre über eigene Qualitäten und ist nicht bloß als ein Ersatz für das Vollwertige anzusehen. Diese besondere Qualität besteht beispielsweise darin, dass in der zeitlichen Limitierung vieles möglich wird, was auf Dauer gesehen noch undenkbar scheint. Anderes, was auf lange Dauer nicht erträglich wäre, kann kurzzeitig aber sehr wohl als wertvoll empfunden werden. Das Adjektiv temporär wird oft mit Begriffen verbunden, die eigentlich für Langlebiges stehen, etwa temporäre Bauten, welche ausnahmsweise nur für kurze Zeit existieren sollen. Wenn der Begriff der Temporalität demnach auf die Praxis der Stadtnutzung und Stadtplanung angewandt wird, so ist klar, dass die Stadt als Ganzes nach wie vor langlebig bleibt, dass ihr aber mit diesen Projekten bestimmte Qualitäten verliehen werden sollen, die das Temporäre im Gegensatz zum Langlebigen bietet, aus welchen Gründen auch immer.