9/2003 Wiki Wiki

„Wiki wiki“ oder kurz „wiki“ ist das hawaiianische Wort für schnell. Im Web bezeichnet es seit Mitte der 90er Jahre HTML-Seiten, die im Gegensatz zur üblichen Form durch jeden verändert, ergänzt und gelöscht werden können –eine Art kollaborativer Weblog. Der heute zweitgrößte Wiki ist Wikipedia, eine in Gemeinschaftsarbeit von allen Benutzern erstellte Web-Enzyklopädie als Open-Content-Projekt, die es seit Anfang 2001 gibt und die derzeit 150.000 Artikel enthält. Man könnte meinen, dass ein solches Unternehmen ohne starke zentrale Redaktion zum Chaos verurteilt sein müsste, und tatsächlich gibt es Ansätze dafür, aber im Großen und Ganzen enthält Wikipedia eine hochinteressante, durch die gegenseitige Kontrolle der Beitragenden wertvolle Materialsammlung, zumindest zu manchen Themen (wie man sich vorstellen kann, sind die Beiträge zu IT-Themen umfassender und besser als die zu Architektur). Jeden Tag werden etwa 3.500 Einträge oder Änderungen vorgenommen, und deshalb ist diese Enzyklopädie jedenfalls aktueller als jede andere. Das Ziel von Wiki ist die Aufhebung der Grenze zwischen Leser und Autor. Es gibt in einem solchen System zwei Arten von Links, blaue, die zu bereits erstellen Seiten führen, und rote, für deren Ziel die Inhalte erst verfasst werden müssen. Als Leser kann man demnach einen geplanten, also rot verlinkten Artikel zu schreiben beginnen, einen bestehenden, also blau verlinkten redigieren, oder einen völlig neuen Artikel starten. Selbstverständlich bleibt alles ein work in progress, da jederzeit jemand anderer den aktuellen Zustand durch eigene Beiträge verändern kann. Diese besondere Produktionsmethode hat entsprechende inhaltliche Auswirkungen: so versuchen Wikipedia-Artikel meist nicht, eine einzige, möglichst objektive Sicht der Dinge zu bieten, sondern vielmehr vielfältige Perspektiven auf ein Thema – der inhaltliche Teil und dessen Diskussion werden allerdings strikt getrennt. In Wikipedia findet sich eine Liste von Artikeln, in denen es aktuell edit wars gibt (z.B. über genetic drift, Joseph McCarthy, Katholizismus oder die IRA), und eine ebensolche über kontroverse Themen (etwa Israel, Kommunismus, Scientology und inherently funny words. Wenn man den Artikel zum Wiener Bezirk Leopoldstadt auswählt, wird man von einem Bild vom Volksstimmefest im Wiener Prater empfangen, mit viel rot und Hammer und Sichel im Hintergrund – es bleibt abzuwarten, wann die Leopoldstadt zum kontroversen Thema wird…

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