12/2013 Verfassungen

„Don’t be evil“ war Googles Wahlspruch zum Beginn des neuen Jahrtausends, als das noch junge Unternehmen gerade dabei war, die Vorherrschaft im WWW zu erobern. Google sollte sich von den Dinosauriern der Informationstechnologie unterscheiden, dass es die Welt seiner Benützer besser machte, statt sie nur als Anlass zur Profitmaximierung zu betrachten. Fast 15 Jahre später sieht die Web-Welt ganz anders aus, und kaum jemand ist noch der Ansicht, dass Google besser wäre als seine Konkurrenz: Vom Datenschutz bis zum Urheberrecht, von der Zensur bis zur Monopolstellung, von der Steuerflucht bis zur Kooperation mit fragwürdigen Regimen reichen die Vorwürfe. Die Zeiten, als Google das Paradebeispiel eines „guten“ Unternehmens war, sind lange vorbei. Doch hin und wieder lassen neue Produkte einen Widerschein dieser Vergangenheit noch einmal kurz aufblitzen, aktuell beispielsweise mit dem Projekt „Constitute“, das im September startete. Google Ideas in Kooperation mit dem Comparative Constitutions Project will damit ein Angebot schaffen, mit dessen Hilfe man „Regierungen designen“ kann, ganz entsprechend der sozialtechnokratischen Ideologie, die Google mit seinen Produkten auch sonst vertritt. Informations- und Kommunikationstechnologie wird dabei als ein Werkzeug gesehen, um die Welt ein Stück besser zu machen. Politische Verfassungen sind so vielfältig wie die Länder, die sie sich gegeben haben, auch wenn es in der historischen Entwicklung zahlreiche Einflüsse und Wechselwirkungen zwischen diesen Verfassungen gab. Wie Google im offiziellen Blogbeitrag zu Constitute feststellt, werden jedes Jahr etwa fünf neue Verfassungen geschrieben und 20 bis 30 werden erweitert oder verändert. Der Vergleich zwischen dieser Vielfalt ist nicht einfach, weil jede Verfassung in der jeweiligen Landessprache geschrieben ist und viele schwer zugänglich sind. Constitute ist eine Website, die diese Verfassungen digital zugänglich und durchsuchbar macht – anhand von Staaten (derzeit 189) und von Jahren, vor allem aber anhand von etwa 350 Themen, von Frauenrechten bis Bürgerpflichten, von Wahlen bis zur Struktur der Exekutive, von der Gesetzgebung bis zur Rechtsprechung. Die Website umfasst beinahe alle gegenwärtigen Verfassungen und soll demnächst alle Versionen, die seit 1789 existiert haben, integrieren. Das Material wird unter eine Creative-Commons-Lizenz (CC BY-NC 3.0) angeboten, das heißt es kann für nichtkommerzielle Zwecke frei verwendet werden. Und: Auf Constitute sind alle Verfassungen in Englisch vorhanden.

www.constituteproject.org
googleblog.blogspot.de/2013/09/explore-worlds-constitutions-with-new.html