9/2001 Urban Life

Seit einiger Zeit wird nun auch in Österreich versucht, das reale Wohnungsangebot in Neubauten mit ergänzenden virtuellen Räumen zu kombinieren, mit so genannten Bewohner-Communities. Eine virtuelle Community ist eine Gemeinschaft von Leuten, die Interessen und Ideen gemeinsam haben und diese über das Internet teilen wollen. Einer der ersten, der den Begriff verwendete, war Howard Rheingold, Gründer der Ur-Community „The Well“ und Autor des Standardwerkes „The Virtual Community“. Ursprünglich handelte es sich vor allem Newsgroups, an die man Meldungen zu einem Thema senden konnte. Ähnliches wird heute auch im WWW gemacht, und die alte Form wurde ergänzt durch eine zweite, nämlich Chat, also schriftliche Kommunikation in Echtzeit, zum Beispiel über die bekannte Software Internet Relay Chat (IRC). Vor längerer Zeit gab es einen regelrechten Hype um Web Communities, jeder Anbieter, der auf sich hielt, hatte plötzlich seine eigene Community, doch wie so oft, wenn es sich ums Internet dreht, konnten die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllt werden. Nur wenige konnten mit der Idee, Leute über ein gemeinsames Interesse an eine Website zu binden, tatsächlich Geld verdienen, die alten, „ehrenamtlichen“ Communities funktionierten da viel besser. Das Besondere an der Idee der Communities in einem Wohnhaus-Intranet, also im internen Netzwerk eines einzelnen Wohngebäudes, ist es, dass die Teilnehmer jedenfalls ein gemeinsames Interesse haben, nämlich ihr Wohnumfeld, dass sie meist sozial homogener sind als irgendein Ausschnitt aus dem Web, dass das interne Netz und die Internet-Anbindung sehr breitbanding sein können, also hochwertige Inhalte vertragen, und dass das Internet mit anderen Medien kombiniert werden kann, etwa mit Fernsehen und Telekommunikation. Der Nachteil ist natürlich, dass es sich bei den Bewohnern eines Hauses oder einer Siedlung um vergleichsweise sehr wenige Personen handelt – eine Web-Community mit ein paar hundert Mitgliedern ist eigentlich nicht der Rede wert. Das Ziel ist demnach auch eher die Ergänzung des Wohnungsangebotes, der Verkauf der Leitungsanbindungen, und die Verlagerung von Betriebsprozessen wie Störungsmeldungen ins Digitale. Die beiden Gasometerbauten der Gesiba, entworfen von Manfred Wehdorn und Wilhelm Holzbauer, sind nun mit einer solchen Community unter dem Titel e-living ausgestattet, ein erster Testlauf, dem später auch die anderen Gesiba-Bauten folgen sollen. Das Internet-Unternehmen Mainwork hat ein System erstellt, das es als „virtuelle Abbildung realer Lebensräume“ bezeichnet. Jeder Mieter erhält sein persönliches Portal mit Mailfunktion, Diskussionsforen und Kalender, auch die Kommunikation mit der Hausverwaltung läuft über das System, und die Community soll den Kontakt zwischen den Nachbarn fördern. e.living bietet weiters eine Shopping Box, eine Art gekühlten Briefkasten, in den die Dinge, die man zuerst per Web bestellt hat, auch in Abwesenheit der Mieter geliefert werden können. In Zukunft soll dann mittels Bluetooth-Technologie, also drahtloser Netzanbindung, surfen ohne Kabel innerhalb der Wohnung möglich sein. Bereits ein bisschen weiter ist Global-Home mit der Community-Plattform globalklick.com, die erstmals beim Mischek-Tower in der Wiener Donau-City erprobt wurde und nun in den Gasometern A, B und C im Auftrag von SEG und Wohnbauvereinigung für Privatangestellte zum Einsatz kommt. Dieses System umfasst die Glasfaserverkabelung der Gebäude, die es den Bewohnern erlaubt, gleichzeitig zu faxen, zu telefonieren und zu surfen, alternativ ist auch der Einbau eines Funknetzes möglich. Über die Community werden Dienste wie Babysitting und Putzereiservice angeboten, der Community-Anbieter fungiert also als Vermittler zu lokalen kleinen Dienstleistern. Und durch gemeinsame Freizeitaktivitäten und Events soll die Entstehung der Community unterstützt werden. Es wird sich zeigen, welche Richtung diese heirzulande neue Variante von Online-Angeboten nehmen wird – bleibt am Schluss nur die Alternative zum großen Internet-Provider und Telefonanbieter übrig, oder kann ein solches kleines, dichtes System mit eigenen, möglichst von den Benutzern selbst produzierten Inhalten überleben?

eliving.mainwork.com
www.global-home.at
www.globalklick.com