6/2017 Unsere Welt in Daten

Der deutsche Ökonom Max Roser, der seit fünf Jahren in Oxford lehrt, ist für einen Ökonomen ungewöhnlich bekannt, insbesondere im Web: Er widmet sich mit seine Website ourworldindata.org der langfristigen Entwicklung von Lebensbedingungen der Menschheit. Aus seiner Sicht ist es ein grundsätzlicher Fehler heutiger Informationsmedien, dass sie zu sehr auf einzelne Ereignisse fokussieren, statt längere Prozesse zu beachten; und dass sie Negatives ins Zentrum stellen und dadurch die vielen positiven Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte übersehen. Ende 2016 publizierte er auf seiner Website einen Artikel über „Die kurze Gesichte der globalen Lebensbedingungen und warum es wichtig ist, dass wir darüber Bescheid wissen“. Die Wirksamkeit von Rosers Darstellungen liegt zu einem guten Teil darin, dass er komplizierte Prozesse und langweilige Statistiken in einfachen, für jeden nachvollziehbaren Grafiken vermittelt. So enthält sein Artikel fünf Diagramme, die zeigen sollen, wie sich über die letzten zwei Jahrhunderte die Situation für viele verändert hat. Zunächst, am wichtigsten, extreme Armut, definiert als leben mit einem Einkommen von unter 1,90 Dollar pro Tag: Während das 1820 für etwa 95% der Weltbevölkerung zutraf, sind heute weniger als 10% betroffen. Selbst in absoluten Zahlen hat die extreme Armut stark abgenommen. Ähnlich die Entwicklung beim Analphabetismus, von etwa 88% im Jahr 1800 auf 15% heute. Eine komplexere Darstellung zeigt den Anteil der Bevölkerung in verschiedenen politischen Systemen: Während 1816 noch 46% in einer Autokratie und 38% in einer Kolonie lebten, sind es heute 56% in einer Demokratie und 23% in einer Autokratie. Roser fasste die schon sehr plakativen Diagramme das Artikels schließlich noch in sechs Darstellungen unter dem Titel „Die Welt als 100 Menschen“ zusammen. Sie zeigen für jeden Datentyp die relative Entwicklung seit 1820 bis heute: Wenn die gesamte Menschheit aus 100 Personen bestünde, wie viele wären damals und heute arm, alphabetisiert, und so weiter? Grundlegende Bildung hatten damals nur 17%, heute 86%; in einer Demokratie lebten damals 1% und heute 56%. Geimpft war damals niemand, heute sind es 86%. Und die Kindersterblichkeit fiel von damals 43% auf heute 4%. Aus Rosers Sicht hat sich für die meisten Menschen auf diesem Planeten die Lage dramatisch verbessert. Doch er meint, es gibt noch viel zu tun (10% in extremer Armut!), und die Entwicklung muss nicht notwendig so positiv weitergehen. Deshalb muss man darüber Bescheid wissen und handeln.

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ourworldindata.org/a-history-of-global-living-conditions-in-5-charts