Schiefer Gartensegen

„Schiefer Gartensegen“, in: Der Standard/Album, 17.03.2007, S. A8

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Lange Zeit war der Wiener Augarten kaiserliches Jagdareal. Heute steht die barocke Natur unter Denkmalschutz. Mit der Beschaulichkeit ist es nun vorbei, denn der Gartensegen hängt schief.
Die an den Augarten anschließende Leopoldstadt war nach der Revolution 1848 Ziel einer massiven, zu einem guten Teil jüdischen Zuwanderung aus den nordöstlichen Gebieten der Monarchie. Der Bezirk war von Armut geplagt, diente aber gleichzeitig als Vergnügungsviertel, in dem sich eine Szene von Theatern, Kabaretts, Cafés und Kinos entwickelte – befruchtet von der herrschenden Migrantenkultur.
Wohl aufgrund der Widmung des Kaisers an „alle Menschen als Erlustigungs-Ort“ und der damit verbundenen positiven Bilder vom Imperium war der Park nach der Republikgründung Rekonstruktionsort nicht mehr bestehender „Botschafter“ der Monarchie. Namentlich handelte es sich dabei um Augarten-Porzellan und Sängerknaben. Beide fanden nach ihrer Wiedereinrichtung als Reminiszenz an vergangene gloriose Zeiten hier ihren Standort.