6/2022 Queering Spaces

Ein aktuelles Buch versteht sich als Atlas von Queer Spaces, aber was ist das eigentlich? Woran viele als erstes denken, sind die verborgenen Räume, in denen die „Abweichung“ von der Heterosexualität und der damit verbundenen Identität lange Zeit ausschließlich stattfinden konnte, die privaten Wohnräume und Bäder, aber nicht viel mehr. In der Zeit der Emanzipation seit den 1960er Jahren entstand der Slogan von „coming out of the closet“ als Synonym dafür, sich zur Homosexualität zu bekennen, und ähnlich ging es nach und nach auch den queeren Räumen, sie waren plötzlich nicht mehr aufs Verborgene reduziert. Was nichts daran ändert, dass der politische Kampf um die Körper bis heute auch genau dort ausgetragen wird, man denke nur an genderneutrale WCs und die konservative, gegen die neue Freiheit der Identitäten gerichtete Gesetzgebung mancher US-amerikanischer Staaten, die genau solche verbieten. Wenn man an die 1960er denkt, kommen als nächstes jene Orte in den Sinn, wo der Weg aus den Closets als erstes sichtbar wurde, in den Nachtclubs, Bars und Discos. Später entstanden die Räume der Repräsentation von Queerness, etwa im Wien der 1980er Jahre die Rosa Lila Villa. Doch letztlich geht es bei Queer Spaces nicht vorwiegend darum, eindeutig queere Räume der nichtqueeren Hegemonie gegenüberzustellen, sondern auch darum, allgemeine Räume queer zu machen, also queeres Leben überall sichtbar werden und teilhaben zu lassen. In diese Richtung zielt das Projekt der beiden österreichischen Architekten Christian Haid und Lukas Staudinger, die in Berlin unter dem Label Poligonal Architekturführungen anbieten. Für die Architekturbiennale von Tiflis 2020 starteten sie das Online-Archiv queeringspace.xyz, in dem queere Erinnerungen, Begegnungen und Geschichten aus dem öffentlichen Raum in Tiflis und Berlin gesammelt werden. Das lebende Archiv soll Beispiele für die Schönheit der Repräsentation und die Vielfalt des Ausdrucks zeigen, indem die Beitragenden Geschichten darüber erzählen, wie Räume queer gemacht werden – ob nun durch Erfahrung, Begegnung, Widerstand oder wie auch immer, ob groß oder klein. Das Spektrum der Geschichten reicht von einem Gedicht über den Görlitzer Park in Berlin bis zu einem Re-Enactment von Johns und Yokos „War is over!“-Performance als Protest gegen die homophobe Atmosphäre in Georgien. Ein weiteres Projekt der beiden Architekten befasst sich in Form einer Sammlung von Hörbildern mit verlorenen queeren Räumen in Berlin – auch hier geht es darum, die Protagonist*innen selbst zu Wort kommen zu lassen.

www.queeringspace.xyz
www.poligonal.de
Adam Furman, Joshua Mardell: Queer Spaces, Riba 2022