3/2017 Partizipations-Tinder

Zu Beginn der Digitalisierung in der Planung, in den 1970er und 1980er Jahren, ging es nicht nur um Effizienz und neue Formen: Pioniere der Beteiligung setzten damals große Hoffnungen in die Informationstechnologie, um es Laien zu erleichtern, direkt und auf Basis ihres Alltagswissens mitplanen zu können. Ziel sollte es nicht sein, die Architekten zu ersetzen. Vielmehr sollten die besonderen Möglichkeiten des Computers genützt werden, um Menschen ohne Expertenwissen bei der Äußerung ihrer Bedürfnisse zu helfen und die Kommunikation zwischen Architekten (Planungsexperten) und Laien (Nutzungsexperten) zu erleichtern. Davon ist nicht viel übrig geblieben, sieht man von Ikea-Küchenplanern und ähnlichen Tools mit fragwürdigem Mehrwert ab. Doch Kombination von Informations- und Kommunikationstechnologie und der Siegeszug der Smartphones, die von viel mehr Menschen verwendet werden als Desktopcomputer und Tablets, bringen neue Möglichkeiten. Die Stadt Santa Monica, teil des Suburbia-Molochs Los Angeles, hat für die Beteiligung ihrer Bürger an der Stadtentwicklung eine App namens Cityswipe im Angebot, die wie die Dating-App Tinder funktioniert: Während man dort ein Foto anderer Dating-williger Personen im Umfeld sieht, zeigt Cityswipe Gebäude, Nutzungen und Gestaltungen für die Innenstadt von Santa Monica. Während bei Tinder der Wisch nach rechts bedeutet: Interessant, mit der Person will ich mich unterhalten, bedeutet es hier: Das unterstützte ich, finde ich gut, sollte gefördert werden. Nacht links Wischen bedeutet bei Tinder: Kein Interesse; bei Cityswipe: Das will ich nicht. Natürlich wird damit die Beteiligung extrem simplifiziert, und komplexe gestalterische Fragen können so niemals beantwortet werden. Der Vorteil ist aber, dass man sehr viele Menschen sehr einfach einbeziehen kann. Die Crux liegt wohl darin, solche Tools richtig einzusetzen: Nicht indem man die Entscheidung über einen Entwurf auf einen Wisch nach rechts oder links reduziert, das wäre gefährlicher Unsinn; aber sehr wohl, indem man grundsätzliche Fragen zur räumlichen Entwicklung stellt. Welche Verkehrsformen werden wo bevorzugt? Was ist dafür nötig an Ausstattung und Rahmenbedingungen? Welche Nutzungen in welchen Stadträumen sind gewünscht oder nicht gewünscht? Wer will was, und wer will was nicht? Solche Befragungen sind natürlich kein Ersatz für Planung, die eigentliche Arbeit beginnt erst danach. Aber sie können, richtig angewandt, wertvolle Informationen aus dem Wissensschatz der Nutzungsexperten liefern.

www.dtsmcityswipe.com