7-8/2011 Medienarchivierung

Die Archivierung von analogen audiovisiuellen Daten, insbesondere von Fernsehsendungen, ist ein Stiefkind unserer speicherwütigen Zeit – vorproduzierte Fernsehsendungen sind natürlich meistens archiviert, aber Live-Sendungen, Moderationen, Werbung und ähnliche, für Kultur- und Sozialwissenschaftler überaus wertvolle Materialien sind häufig nach ihrer Ausstrahlung für immer verloren. Eine komplette Archivierung von allem, was ein Fernsehsender so ausstrahlt, gibt es nur, wenn der so genannte Sendeleitungsmitschnitt langfristig gespeichert wird; das ist beim ORF, dem Österreichischen Rundfunk, erst seit 1988 der Fall. Für die Zeit davor gibt es nur lückenhafte Bestände. Aber zumindest für diese wurde nun der Forschungszugang stark vereinfacht durch eine Außenstelle des ORF-Archivs am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, die Material ab 1955 zugänglich macht. Zugänglich sind dabei Datensätze zu Fernsehsendungen, also Metadaten, die es erlauben, das eigentliche visuelle Material zu finden – und zwar 5,5 Millionen Datensätze zu 500.000 Stunden Material. Weiters sind etwa zehn Prozent des gesamten Archivmaterials (vorrangig die letzten zehn Jahre) bereits als digitales Video vorhanden und damit direkt abrufbar. Verwendet wird dabei die für den ORF entwickelte Suchmaschine mARCo, die auch bei den Journalisten des Hauses selbst zur Recherche in der eigenen Datenbank im Einsatz ist. Mit dieser Kooperation, die auch international, jedenfalls für ein Fernseharchiv dieser Größe, beispiellos ist, geht der ORF nunmehr in eine verantwortungsvollere Richtung, als man das noch vor wenigen Jahren wahrnehmen konnte. 2009 versuchte der damalige Kommunikationschef Pius Strobl, Verwertungsrechte für das Archiv exklusiv an einen privaten Verlag zu verkaufen, was allerdings in letzter Minute doch noch scheiterte; und das bei dem Archiv einer Stiftung öffentlichen Rechtes, die eigentlich alles an Material, das bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben anfällt, aufbewahren und öffentlich zugänglich machen sollte. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien gibt es in Österreich keine staatliche Sammlung, die Fernsehen und Radio speichert; ein Pilotprojekt hierzulande ist das Zugänglichmachen der Nachrichtensendungen „Journal“ auf Ö1 durch die Mediathek seit 2009. Bewusstsein für die Notwendigkeit der Pflege und Öffentlichmachung des Archivs beginnt nun zu entstehen – es darf gehofft werden, dass die Kooperation mit der Universität Wien nur ein Probelauf für einen breiteren, öffentlichen Zugang zum ORF-Archiv ist.

www.univie.ac.at/zeitgeschichte