Materialforschung und Architekture | Material Research and Architecture

„Materialforschung und Architektur. Fortschritt durch große Demonstrationsprojekte | Material Research and Architecture. Progress through major demonstration projects“, in: architektur aktuell 6.2007, S. 82–91

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Ausschnitt S. 82–83:

Die Baubranche ist ein Sorgenkind der Forschungspolitik – und das gilt genauso für Architekten und Planer wie für Ausführende und Produzenten. Obwohl die Bauwirtschaft durch ihre Größe (mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) eminente volkswirtschaftliche Bedeutung besitzt, ist ihre Forschungsquote lächerlich niedrig. Ein Bereich, in dem es vergleichsweise noch am Besten läuft, ist die Materialforschung, die Entwicklung neuer und die Verbesserung bereits existierender Baumaterialien. Doch auch hier gibt es noch vielfältige Möglichkeiten für Innovation. Einige österreichische Unternehmen setzen ihre Neuentwicklungen erfolgreich auf dem internationalen Markt ab, wie im Folgenden gezeigt werden soll.

Bauforschung einst und jetzt

Der erste Abschnitt von Leonardo Benevolos „Geschichte der Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts“, der sich mit der Entstehung und Entwicklung der modernen Architektur befasst, beginnt mit einem Kapitel über Wandlungen der Bautechnik während der industriellen Revolution. Die althergebrachten Baustoffe wie Naturstein, Ziegel und Holz sind nun durch Glas, Stahl und Beton ergänzt. Die überlieferten Materialien werden vervollkommnet – so entstehen Ende des 18. Jahrhunderts in der Schweiz Holzbrücken mit bis zu 120 Meter Spannweite – und die neuen ermöglichen bisher ungekannte Bauweisen, wie etwa die erste Eisenbrücke in Coalbrookdale in England zeigt, die immer wieder als Ikone der einsetzenden Moderne zitiert wird. Parallel dazu entstehen neue Entwurfsmethoden, wie sie etwa Jean-Nicolas-Louis Durand, der Schüler von Boullée, an der neuen Ecole Polytechnique in Paris lehrt. Um während der im Vergleich zur Akademieausbildung kurzen Lehrdauer an der neuen Schule den architektonischen Entwurf rationell vermitteln zu können, entwickelt Durand ein typologisches und auf einem Raster basierendes System, mittels dessen beliebige Gebäude effizient entworfen werden können. Auch wenn die materialwissenschaftliche Innovation wohl die wichtigere war und die Basis für die zweitere bildete, ist doch die parallele planungstheoretische Entwicklungslinie nicht aus der Geschichte der frühen Moderne wegzudenken. Natur- und Planungswissenschaft, architektonische und bautechnologische Forschung gingen Hand in Hand, und die Kooperation zwischen Architekten, Ingenieuren und Bauindustrie war die notwendige Voraussetzung für die neuen Bauweisen.