1-2/2012 Manhattan, weltweit erweitert

Die Rasterstadt ist eine uraltes Stadtplanungsmodell: Bereits im dritten Jahrtausend vor Christus wurden Städte der Induszivilisation so errichtet. Bekannt ist das Schema unter dem Namen Hippodamisches System, das beispielsweise in den hellenistischen Städten Priene und Milet angewandt wurde und Vorbild für die römische Stadtplanung war: Rechtwinkelig einander schneidende Straßen teilen Blocks ab, die wiederum in rechteckige Parzellen geteilt werden. Das Schema wurde in der europäischen Planungsgeschichte vielfach verwendet, etwa in Cerdàs berühmten Eixample-Plan für Barcelona mit abgeschrägten Blockecken, bei dem im Blockinneren ruhige Freiräume vorgesehen waren, die Licht und Luft zu den Gebäuden lassen sollten. Der Raster kam regelmäßig bei Neugründungen in den Kolonien zum Einsatz und ist ein typisches Merkmal US-amerikanischer Städte – wohl am bekanntesten im Falle Manhattans, wo der Commissioners’ Plan von 1811 die bis dahin unbebaute Fläche der zentralen Insel New Yorks fast vollständig mit einem gleichförmigen Raster überzog, obwohl es sich dabei um ein Vielfaches der damals bestehenden Fläche New Yorks handelte. Der Entwurf besaß somit eine eher utopische als pragmatische Ausrichtung, auch wenn es nicht lange dauern sollte, bis er tatsächlich vollständig umgesetzt war – unter Auslassung des riesigen Rechtecks des Central Park. Der Plan sah 16 Nord-Süd-verlaufende Avenues vor, parallel zum Hudson River, sowie 155 Ost-West-orientierte Streets, ohne dabei in irgendeiner Weise Rücksicht auf die vorhandene Topographie zu nehmen. Nur wenige Elemente des heutigen Manhattan weichen vom absolut gleichförmigen Raster ab, etwa Universitätsgelände und das Lincoln Center sowie der querdurch verlaufende Broadway. Der Raster wurde schließlich über die 155. Straße hinaus nach Norden bis zum Inselende und in die Bronx hinein verlängert. Die Avenues sind 30 Meter breit, die Streets 18 Meter, und zwischen ihnen liegen meist ca. 15.000 Quadratmeter große Blocks, die eine gestreckte längsrechteckige Form haben. Diese Blocks wurden schließlich in einheitliche Parzellen mit jeweils 7,6 mal 30 Meter Größe (25 mal 100 Fuß) geteilt. Der New Yorker Raster ist tendenziell endlos, und die Erfüllung der ursprünglichen Utopie kann man nun auf einer dafür eingerichteten Website betrachten: der Manhattan-Raster über die gesamte Erdkugel gezogen. Wenn man der Website erlaubt, den eigenen Standort festzustellen, sieht man auf einem Google-Maps-Layer die eigene Position im Manhattan-Raster – beim Autor dieser Kolumne ist das 77.546 Street, zwischen 14.538 und 14.539 Avenue East.

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