11/2006 Kulturelles Erbe und Urheberrecht

Digital Rights Management (DRM), also die Kontrolle der Nutzung von Texten, Musik, Bildern und Filmen durch Software, ist nicht nur für Piraten ein Problem, sondern auch für Bibliotheken und damit uns alle. Wie die British Library kürzlich in einem Manifest dargestellt hat, müssen heutige Urheberrechtsgesetze dringend an aktuelle Technologien angepasst werden, sonst wird die Arbeit der Bibliotheken weiter dramatisch eingeschränkt: die aktuelle rechtliche Lage behindert Innovation, Forschung und den Schutz des digitalen Kulturerbes. So ist es nach aktuellem englischen Recht unmöglich, kopiergeschützte Werke zu Erhaltungszwecken zu kopieren – was bedeutet, dass sie in wenigen Jahren nicht mehr zugänglich sein werden. Darüber hinausgehend verhindert DRM fair use, also legale Zitate aus bestehenden Werken, ebenso wie jedes illegale Kopieren. Dazu kommt, dass im Unterschied zu Urheberrechten selbst die Kopierschutzmechanismen zeitlich unbegrenzt sind. Natürlich denkt heute sonst niemand daran, was mit digitalen Inhalten in 70 Jahren sein wird. Aufgrund einzelner, außergewöhnlich erfolgreicher Fälle wird in England diskutiert, das Copyright auf Audioaufnahmen auf 95 Jahre zu verlängern – in den USA werden seit den 60er Jahren regelmäßig alle Urheberrechte generell verlängert, und es ist heute unklar, ob geschützte Werke jemals in den Gemeinbesitz übergehen werden, wie das bisher nach der Schutzdauer prinzipiell der Fall war. So wird das wertvolle Basismaterial für jede kulturelle Weiterentwicklung konsequent verknappt. Bei etwa 40 Prozent aller Werke sind die Urheber unbekannt, es müssen immense Summen für ihr Auffinden ausgegeben werden, und die Werke unbekannter Schöpfer können wegen des rechtlichen Risikos einfach nicht genützt werden. Dadurch, dass die Besonderheiten digitaler Werke nicht in die Urheberrechtsgesetze eingeflossen sind, ist es heute fast unmöglich, die vom Urheberrecht garantierten Nutzungsrechte für solche Werke wahrzunehmen, weil die Copyright-Industrie diese Rechte systematisch ausschließt. Die rechtliche Lage ist von Land zu Land verschieden, allerdings gelten sehr viele der von der British Library genannten Probleme für ganz Europa und die ganze Welt. Die vergangenen Jahre haben die in früheren Urheberrechtskonzeptionen völlig unbekannte Idee fast zum Allgemeingut gemacht, dass es einen uneingeschränkten Privatbesitz an Ideen gibt, die doch in jedem Falle ebenso sehr Teil der allgemeinen Kultur und nicht nur eines individuellen Geistes sind. Aber diese Vorstellung ist nicht nur neu, sondern auch ein grundsätzliches Hindernis jeder kulturellen Entwicklung, wie sich gerade bei den digitalen Medien zeigt, wo trotz aller technischen Möglichkeiten eher Konsum als Produktion im Vordergrund steht.

www.bl.uk/news/2006/pressrelease20060925.html