4/2021 Kampf der Kuratoren

Social Media ist nicht nur der Ort, an dem Menschen in Blasen ihre Vorurteile nähren oder Teenies ihren Lieblingsstars folgen, sondern auch ein riesiges Feld für Kreativität. Bereits vor etwa einem Jahr startete des Yorkshire Museum in Großbritannien, eine fast 200 Jahre alte Institution, deren Sammlungen von Naturwissenschaft und Archäologie bis zur mittelalterlichen Geschichte reichen, den Hashtag #Curatorbattle: Auf Twitter sollten Kuratorinnen und Kuratoren aus allen internationalen Sammlungen, die sich angesprochen fühlen, jeweils in einer Hinsicht spezielle Objekte posten. Der „Kampf“ besteht darin, beispielsweise das langweiligste, frechste, schönste, gruseligste oder tödlichste Objekt zu posten und den Vergleich mit anderen Objekten, die zum gleichen Thema von anderen Kuratoren beigesteuert werden, zu suchen – und dabei zu eruieren, welche Objekte besonders viel Anklang finden. Viele große Sammlungen aus der ganzen Welt nahmen teil, so traten im Kampf um das gruseligste Objekt gegeneinander an: eine Perücke aus dem Grab einer antiken Römerin, eine aus verschiedenen Lebewesen zusammengesetzte „Meerjungfrau“, ein mumifizierter Fuß aus dem Andy-Warhol-Museum oder ein Sarg mit Luftzufuhr, falls der Eintritt des Todes zweifelhaft ist, von den US National Archives. Weitere Wettkämpfe wurden etwa um den besten Museumshintern ausgetragen, das Spektrum reichte von antiken römischen Marmorgesäßen über die Rückseiten von Sumoringern, gemalt von dem berühmten Hokusai, bis zu einem Multiple aus den 1970er Jahren von der Kunsthalle Bremen, das eigentlich aus einer abstrakten Form besteht, wenn auch mit hoher Hinternhaftigkeit. Aus Museumsperspektive besonders relevant: #FantasticFakes zeigten etwa Flint Jack, der im 19. Jahrhundert massenweise steinzeitliche Pfeilspitzen herstellte, oder falsche Keilschrifttafeln und römische Münzen. Die Aktion entstand natürlich aus der Corona-Not, die zu Museumsschließungen rund um den Globus führte. Viele Sammlungen überlegten deshalb neue, vor allem digitale Wege zu ihren Besuchern und wandten sich dabei unter anderem den sozialen Medien zu, um zumindest ihre digitalen Sammlungen unter die Leute zu bringen. Dass dies zu ganz neuen, in physischen Ausstellungen kaum realisierbaren Verbindungen zwischen Objekten führte, war wohl nicht der Zweck – aber so entstanden im Austausch zwischen den Beitragenden kurzfristige globale Online-Ausstellungen, die auch Monate später noch nachbetrachtet werden können.

twitter.com/hashtag/CURATORBATTLE