Fernweh nach Balkonien

„Fernweh nach Balkonien“, in: Der Standard/Immobilien, 28.07.2007, S. I1

Volltext

Ausschnitt:

Wien hob mit der Neubauverordnung 2007 die Fördersätze an. Erstmals werden nun auch Balkone und Terrassen gefördert.
Wien ist eine balkonfeindliche Stadt. Die Wohnbauförderung ermöglichte bisher nur Loggien, also „Balkone“, die an fünf Seiten von Wänden umschlossen und tatsächlich nur in eine Richtung offen sind. Gar so oft sieht man diese Loggien aber nicht. Von vielen Wienerinnen und Wienern wird die offene Seite nämlich nachträglich mit Fenstern geschlossen. An Fassaden, die direkt an die Straße grenzen, verbietet die Bauordnung auch heute noch, vorspringende Balkone anzubringen – ein unglaubliches Faktum. Dem Wiener Architekturbüro querkraft ist es gelungen, diesem Verbot mit einem schmalen „begehbaren Gesims“ zu begegnen – so geschehen bei einem Wohnbau in Wien Favoriten vor einigen Jahren.

Argument Sicherheit
An der Hofseite und zum Garten sind Balkone zwar erlaubt, werden aber ebenfalls stark eingeschränkt. Warum die Wiener derartige Vorbehalte gegen Bauteile haben, die in den Straßenraum hineinragen, ist schwer zu klären. Oft argumentiert man mit der Sicherheit: Herabfallende Gegenstände könnten Passanten treffen, heißt es. Doch auf gewöhnliche Fenster und Loggien trifft das genauso zu. Hinzu kommt die Frage der räumlichen Qualität. An stark befahrenen Straßen sind Balkone eher Alibi als tatsächlich nutzbare Flächen, oft degenerieren sie zu Freiluft-Abstellräumen.