12/2014 Das Recht auf Vergessenwerden

Das Recht auf Vergessenwerden ist im Zeitalter nicht nur der weltweiten Vernetzung, sondern vor allem des globalen Zugangs auch zu privaten Daten, etwa via Social Media gleichsam eine neue Form von Menschenrecht. Lange Zeit war dies nur Diskursthema. So richtig wesentlich für die digitale Alltagspraxis jedenfalls in Europa wurde das Recht auf Vergessenwerden durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Mai 2014 gegen Google. Der Fall drehte sich um einen Spanier, der vor 15 Jahren wegen finanzieller Probleme Eigentum versteigern musste und dessen Name bis heute im Web mit dieser Information verbunden ist. Der EuGH entschied, dass unter bestimmten Bedingungen Personen das Recht haben, auf sie bezogene Daten aus den Ergebnislisten von Suchmaschinen löschen zu lassen. Google bietet seither ein Löschformular an, mit dem man unkompliziert beantragen kann, Daten zu löschen. Das bedeutet, dass die Information grundsätzlich nach wie vor im Internet frei verfügbar ist – sie kann allerdings nicht mehr über Google gefunden werden, und das heißt heute beinahe, dass sie nicht mehr existiert. Grundsätzlich ist das wohl eine positive Entwicklung, wer will schon, dass alle jugendlichen Leichtsinnigkeiten auf ewig für alle zugänglich sind. Problematisch wird diese spezielle Ausformung des Rechts auf Vergessenwerden durch zwei Aspekte: Erstens wird heute von vielen angenommen, dass im Web nur das existiert, was Google findet – wer würde sich schon die Mühe machen, einzelne Zeitungsarchive nach bestimmten Themen zu durchsuchen? Dazu kommt zweitens, dass Google aus Kapazitätsgründen natürlich nicht bei jedem Löschantrag prüft, ob die Bedingungen laut EuGH-Urteil erfüllt sind, sondern dabei sehr großzügig vorgeht und demnach auch Information beseitigt, die eigentlich zugänglich bleiben sollte. Kritik ließ somit nicht lange auf sich warten, der Fall und seine Konsequenzen wurden breit diskutiert. Eine Website versuchte, die Intelligenz der Crowd zu nützen und gelöschte Daten selbst zu listen – die Liste ging jedoch über ein paar Dutzend Nennungen bisher nicht hinaus, auch wenn die angeführten Beispiele interessant genug sind. Schließlich kündigte die BBC an, eine eigene Liste von gelöschten Daten aus ihrem Bereich zu publizieren, weil sie Googles Vorgangsweise nicht akzeptabel fand. So sei ein Artikel über den Prozess gegen zwei Mitglieder der „Real IRA“ gelöscht worden, obwohl offensichtlich ein öffentliches Interesse an dieser Information bestehe. Wieder einmal zeigt sich, dass unsere Rechtsstrukturen mit den spezifischen Bedingungen der globalen Datenvernetzung nicht kompatibel sind.

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www.bbc.com/news/technology-29658085